Veröffentlicht am

Die „Wunderzüchtung“ Tritordeum

Tritordeum Ähre

Tritordeum ist eine neue synthetische Getreideart, die durch Kreuzung von Hartweizen und Wildgerste entstanden ist. Diese aus Spanien stammende Züchtung erfolgte durch traditionelle Verbesserungstechniken ohne gentechnische Veränderungen und ist die erste neugeschaffene Getreideart die zum Verzehr durch den Menschen geeignet ist.

Durch die Werbung für Tritordeum wird dem Verbraucher suggeriert, dass es sich bei der Züchtung um ein ganz natürliches, durch klassische Methoden erzeugtes Getreide handelt, welches durch sein besser verdauliches Klebereiweiß, seinen hohen Lutein- und Ballaststoffgehalt und den geringen Bestandteil an unverdaulichen Glutenprotein besonders gesund und bekömmlich ist. Bei Tritordeum handelt es sich zudem um ein, besonders gegen Krankheiten resistentes Getreide, welches des Weiteren durch einen geringen Bedarf an Wasser und Düngemittel im Anbau, besonders nachhaltig ist. Derzeit wird Tritordeum, mittels traditionellen und ökologischen  Anbaumethoden in Spanien, Italien und Portugal angebaut.

Doch nun stellt sich die Frage: Wie natürlich ist diese neue Getreideart wirklich? Denn im natürlichen Umfeld würde es niemals zu einer Kreuzung von Wildgerste und Hartweizen kommen.

Um die Artgrenzen zu überwinden und eine Kreuzung von Gerste und Hartweizen vornehmen zu können, muss die zu bestäubende und kastrierte (um Selbstbestäubung zu verhindern) Mutterpflanze in einer Nährlösung mit dem Pflanzenhormon Gibberellinsäure behandelt werden, damit der artfremde Pollen in den Fruchtknoten wachsen kann. Die Kreuzung gelingt auf diesem Wege – allerdings können keine Samen entstehen und das Nährgewebe kann nicht gebildet werden.

Dies hat zur Folge, dass der winzige Embryo auf einem sterilen Nährboden (Orchid-Agar) weiter kultiviert werden muss, bis daraus vielleicht eine bewurzelte und blühende Pflanze entsteht.

Solche Kreuzungen aus verschiedenen Arten sind nicht fruchtbar, weshalb bei der Embryokultur das Gift der Herbstzeilosen (Colchicin) hinzugefügt werden muss damit und sich der Chromosomensatz verdoppelt wird und eine Pflanze mit dem vollständigen Chromosomensatz beider Eltern entsteht, die normale Nachkommen erzeugt. Bei diesem Verfahren handelt es sich um klassische Züchtungsmethoden ohne den Einsatz von Gentechnik.

Ein Argument für die Natürlichkeit von Tritordeum soll die Entwicklungshistorie des Weizens, entstanden aus insgesamt drei Wildgräsern, sein. Allerdings entstehen bei den mit Weizen nahverwandten Gräsern häufig spontane (unfruchtbare) Kreuzungen. Bei artfremden Gattungen wie Gerste und Weizen ist dies in der Regel aber nicht möglich. Zudem zeigen sich bei weiteren Einkreuzungen von Weizen, die Unverträglichkeit in der Gerste-Weizen Kombination (Pflanzen sind männlich-steril und bilden keinen Staubbeutel). So kann festgestellt werden, dass die in der Werbung suggerierte natürliche Herkunft von Tritordeum keine sichere Grundlage hat.

An dieser Stelle sollte man sich durchaus fragen, ob ein Getreide, dessen Zellplasma und Zellkern nicht zusammenpassen, wirklich die Lebenskräfte für eine gesunde Ernährung liefern kann. Zudem sind die positiven Inhaltsstoffe, die Tritordeum enthält, auch in anderen Getreidearten zu finden wie z.B. im Einkorn oder im Hartweizen.

Die biologisch-dynamischen Züchtung steht nun auch vor der Frage, ob es zukünftig richtig ist die natürlichen  Artgrenzen zu überwinden, um Spezialisierungen ausgleichen zu können und neue Entwicklungsmöglichkeiten nach dem Vorbild der Weizenevolution zu eröffnen oder müssen die natürlichen Artgrenzen geachtet und andere Wege in der Kulturpflanzenentwicklung gesucht werden?